Manchmal braucht man für Texte eine zündende Idee. Will nicht mit den ewig gleichen Worten starten. Und nichts, aber auch gar nichts fällt einem ein. Ich zum Beispiel möchte Ihnen heute eine Methode des Kreativen Schreibens vorstellen. Erster Versuch etwa so: „Innovativ texten: Lernen Sie mit Clustering kreativ zu schreiben.“

Sie gähnen – und ich kann´s verstehen. Was für ein öder Einstieg!

Knurrig kaut man am Bleistift oder hämmert auf die Delete-Taste ein. Mir hilft dann das Clustering. Diese Methode wurde von der amerikanischen Schreiblehrerin Gabriele Rico erfunden. Es handelt sich dabei um eine Technik, Assoziationen zu einem Thema zu sammeln und daraus eine Textidee zu entwickeln.

Wie Clustering funktioniert

Clustering funktioniert so:  Nehmen Sie sich ein schönes großes Blatt Papier und einen Stift. In die Mitte des Blattes schreiben Sie ein Kernwort Ihres Themas und umkreisen es. Ausgehend von dem Kernwort schreiben Sie alle weiteren Worte auf, die Ihnen dazu einfallen. Diese umkreisen Sie auch und verbinden sie mit einem Strich mit dem vorigen Wort.

Wie bei vielen Kreativitätstechniken lautet auch hier die wichtigste Regel: keine Zensur. Schreiben Sie wirklich alles auf, was Ihnen einfällt. Auch, wenn es scheinbar nicht zum Thema passt. Sortieren Sie nicht während des Assoziierens (wie etwa beim Mind-Mapping). Wenn eine Assoziationskette abreißt, beginnen Sie eine neue am Kernwort.

Für die Technik ist es sehr wichtig, die Worte tatsächlich einzukreisen und zu verbinden. So entsteht auf der bildlichen Ebene des Blattes ein „Netz“ an Einfällen. Dies ist deshalb so wichtig, weil über die bildliche Ebene die rechte Gehirnhälfte angesprochen und aktiv am Prozess des Assoziierens beteiligt wird. Sehr vereinfachend spricht man davon, dass die linke Hirnhälfte für Worte und Logik zuständig ist. Die rechte Hirnhälfte hingegen für Zusammenhänge und Bilder. Texte, die Bilder nutzen, sind einprägsam. Dazu gleich mehr.

Hmmhm, klingt immer noch ziemlich dröge, denken Sie, wenn Sie norddeutsch sind. Die Rheinländerinnen unter Ihnen sagen: drüsch. Langweilig. Trocken. Stimmt. Ein Cluster muss her.

Mit Clustering verborgene Wort-Schätze heben

Zweiter Versuch:

Gebt den Leser*innen mehr Meer! – Wie Sie Ihre Texte mit der Technik des Clustering beleben

Als Kind habe ich gerne in den mit Meerwasser gefüllten Tümpel  gespielt, die bei Ebbe zwischen den Felsen zurückblieben. Eine unglaubliche Fülle an Formen, Farben und Schätzen, die sonst tief unter der Oberfläche verborgen sind: glänzende Kiesel, schimmernde Muscheln, sanft tanzende Algen und sich wiegende Seeanemonen,  der ein oder andere grantelig wirkende Einsiedlerkrebs.

Unser Unterbewusstsein gleicht diesem Meer voller verborgener Schätze. Wenn Sie mit der Technik des Clustering frei assoziieren, tauchen Sie in dieses Meer ein. Dort warten wunderbar farbige und anschauliche Worte mit geheimnisvollen Bedeutungen darauf, von Ihnen an die Oberfläche gehoben zu werden. Das Cluster ist das Netz, mit dem Sie diesen Reichtum einfangen können. Ihren Fang können Sie nutzen, um Ihre Texte zu beleben.

Fundstücke des Clusters nutzen, um eine Textidee zu entwickeln

Na? Jetzt ein bisschen zu prosaisch das Ganze für Sie? Möglich. Aber mit Sicherheit einprägsamer als zuvor. Und mein Beispiel soll auch zeigen, wie man mit einem Cluster weiterarbeiten kann, wenn es fertig ist.

Also – betrachten Sie Ihre Ausbeute möglichst genießerisch und warten Sie auf den ersten Schreibimpuls: Wo sind Worte oder Verbindungen, die Sie überraschen? Wo sehen Sie neue Zusammenhänge?  Fangen Sie an zu schreiben, sobald Sie eine Idee haben. Beuten Sie die weiteren Worte des Clusters aus. Aber: keinesfalls müssen Sie alle Worte des Clusters nutzen. Wie Sie sehen habe ich nur einen kleinen Teil der Worte genutzt. Das Cluster dient vor allem dazu,  eine Textidee zu entwickeln.

Mit bildhaften Worten Texte beleben

Warum Clustering Ihre Texte belebt?  Weil Sie vermutlich ebenso wie ich bei meinem Beispiel Bilder entwickeln werden, um Zusammenhänge zu erklären.

Zum einen nutzt man häufig die anschaulichsten Worte eines Clusters. In meinem Bespiel sind sie einfach und konkret. Meer. Tümpel. Kind. Kiesel. Vor dem inneren Auge der meisten Leser*innen erscheinen sofort Meer, Tümpel, Kind und Kiesel. Der Text prägt sich ein, weil die Leser*innen den Text „sehen“. Bei den Worten „Technik“, „Assoziation“ oder „kreativ“ entsteht dieser Effekt nicht.

Zum anderen sind starke, bildhafte Worte, die in Clustern häufig auftauchen, mit persönlicher und kollektiver Bedeutung aufgeladen. Die Lesenden denken und empfinden diese Bedeutungen beim Lesen automatisch mit. Das Meer hat Tiefe. Das  Meer ist geheimnisvoll. Das Meer birgt Schätze. Mit einem einzigen Wort rufen Sie diese Bedeutungen mit ab. Die Leser*innen können Ihren Text so auch „fühlen“. Das Wort „Assoziation“ etwa bewirkt nichts Vergleichbares.

Aus den einzelnen Wort-Bildern entsteht bei den Leser*innen ein Gesamtbild, das viele Bedeutungsebenen einschließen kann – in meinem Bespiel etwa das der kindlichen Schatzsuche am Meer.

Clustern heißt nicht klotzen

Natürlich habe ich in meinem Beispiel auch ein bisschen dick aufgetragen. Eine allzu prosaische Sprache kann in beruflichen Texten auch fehl am Platz sein. Oft reichen ein oder zwei  anschauliche Worte oder ein guter, bildhafter Vergleich, um Texte zu beleben. Also – überfrachten sollen Sie Ihre Sätze nicht mit Wortbildern. Dabei hilft Ihnen dann eine Methode, die ich ein anderes Mal vorstelle. Sie heißt: Kill your darlings.